Wer von München schwärmt, dem kommen wahrscheinlich die Bauten, Gärten oder die Museen in den Sinn, aber Skulpturen? Die Skulpturen an Münchens Straßen und Plätzen werden gerne übersehen. Kein Wunder, bei der beeindruckenden Architektur gehen sie einfach unter. Dabei wäre es wirklich schade, an ihnen vorbeizulaufen, denn es befinden sich echte Kostbarkeiten darunter. Wir haben einen Spaziergang zu Münchens Skulpturen in der Innenstadt unternommen, die alle eines verbindet: ihr italienischer Einfluss.
Brunnenhof und Wittelsbacher Brunnen
Links Neptun von Giambologna. Rechts Vulkan am Wittelsbacher Brunnen
Flrickr: Giambologna von spaceodyssey
Der Brunnenhof in der Residenz führt leider ein Schattendasein. Mitten in der Stadt wird er von Münchnern und von Touristen gleichermaßen ignoriert. In der Mitte des Hofs steht das plätschernde Schmuckstück, der so genannte Wittelsbacher Brunnen, voller bedeutender Bronzeskulpturen. In seiner Entstehungszeit im 16. Jahrhundert gab Florenz in der Kunst den Ton an, und so gehen die Skulpturen fast alle auf Florentiner Vorbilder zurück. Entworfen hat sie Hubert Gerhard, der in Florenz seine Fertigkeit im Bronzeguss perfektionierte, in der Werkstatt des größten Bildhauers jener Zeit, Giambologna. Dort lernte er auch dessen Skulpturen kennen und schätzen. Die mythologischen Figuren auf dem Brunnenrand, wie Neptun oder Ceres, gehen auf Vorbilder Giambolognas zurück. Die vier liegenden Skulpturen stellen die bayerischen Flüsse Isar, Inn, Donau und Lech dar. Allerdings sehen die Figuren ihren Vorbildern aus Italien, wie etwa dem römischen Flussgott Tiber, zum Verwechseln ähnlich.
Hätte der Brunnen seinen ursprünglichen Standort behalten, kein Münchner und kein Tourist könnte ihn übersehen. Bis ins 17. Jahrhundert stand er auf dem Rindermarkt mitten in der Stadt.
Adresse: Brunnenhof in der Münchner Residenz
Anfahrt: Zu Fuß vom Odeonsplatz (U4/U5) aus oder vom Max Joseph Platz aus.
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Residenzstraße
Links Marzocco in Florenz. Rechts der Löwe vor der Residenz
Flrickr. Marzocco: CoffeeGeek
Die vier Bronzelöwen vor der Residenz kennen die meisten Münchner vom Vorbeigehen. Eine der Löwenskulpturen dabei zu streicheln soll Glück bringen. Allerdings bekommt es den Löwen weniger, darum wurden gerade zwei Figuren abmontiert und durch Abgüsse ersetzt. Die Löwen stehen zwar in München und bewachen hier den westlichen Eingang der Residenz, sind aber das Werk des Florentiner Bildhauers Carlo di Cesare del Palagio. Wer in den Löwen das bayerische Wappentier vermutet, liegt daneben. Das Vorbild für die vier Skulpturen war der Florentiner Löwe, der sogenannte Marzocco, das Wappentier der Stadt Florenz. Gleich gegenüber vor der Feldherrnhalle treffen wir wieder auf imposante italienische Löwen. Wie die gesamte Feldherrnhalle kommen auch die Vorbilder für die zwei Raubtiere aus der Stadt am Arno. In Florenz heißen sie Medici-Löwen und bewachen dort die größte und reichste Familie der Florentiner Renaissance.
Adresse: Verbindungsstraße zwischen Odeonsplatz und Max-Joseph-Platz
Anfahrt: Zu Fuß vom Odeonsplatz (U4/U5) aus oder vom Max-Joseph-Platz aus.
Wittelsbacherplatz
Links Marc Aurel in Rom. Rechts Maximilian I. auf dem Wittelsbacherplatz
Flickr. Marc Aurel: weisserstier
Am Wittelsbacherplatz machen wir einen Zeitsprung. Stammten die Skulpturen bisher noch aus der Zeit der Renaissance, befinden wir uns jetzt im 19. Jahrhundert. Hier entdeckt vor allem ein König seine Liebe zu Italien, König Ludwig I. Auf ihn geht nicht nur die nach ihm benannte Ludwigsstraße zurück, sondern auch der Wittelsbacherplatz, benannt nach der bayerischen Herrscherdynastie. Der Entwurf für die Statue stammt zwar aus seiner Zeit, allerdings hat der abgebildete Reiter mitten auf dem Platz nichts mit dem 19. Jahrhundert zu tun. Auf dem hohen Ross sitzt kein Geringerer als Kurfürst Maximilian I., einer der Drahtzieher im Dreißigjährigen Krieg. Ludwig I. ließ seinem großen Vorfahren ein Denkmal errichten. Der Entwurf für die Skulptur stammt von einem Dänen. Der nahm sich eine der berühmtesten Reiterstatuen der Geschichte zum Vorbild: die antike Skulptur des römischen Kaisers Marc Aurel.
Adresse: Zu Fuß nicht weit vom Odeonsplatz
Anfahrt: Nahe dem Odeonsplatz. U4/ U5
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Tal
Links der Merkur von Giambologna. Rechts die Kopie im Tal
Flickr. Merkur: Goc53
Im Tal treffen wir auf eine wirklich bedeutende Skulptur der Kunstgeschichte an einem sehr skurrilen Ort. Direkt vor dem Supermarkt REWE steht auf einem Brunnen thronend der Merkur des flämischen Bildhauers Giambologna. Der Merkur gilt als Schlüsselwerk des Manierismus, jener Zeit der Spätrenaissance, in der sich ambitionierte Künstler von den Regeln der Renaissance zu lösen versuchten. Der Merkur von Giambologna ist ein Paradebeispiel, besser lässt sich die Essenz dieser Kunstepoche nicht versinnbildlichen. Das ganze Gewicht der filigranen, aber kiloschweren Bronzeskulptur ruht nur auf den Zehenspitzen eines einzigen Fußes. Manierierter geht es kaum. Weil man von einer Bronzeskulptur ganz praktisch Kopien machen kann, stehen überall in Europa Merkurplastiken. Im Tal steht die Kopie einer Kopie. Das Original findet man in Florenz, eine berühmte Kopie im Louvre. Die Kopie-Kopie im Tal wurde 1902 gegossen und steht seit den 70er-Jahren hier vor dem Supermarkt. Den Merkur aus der Nähe betrachten dürfte übrigens schwierig werden, denn meist nutzen einige trinkfeste Obdachlose den Brunnen als Steh-Bar und kühlen nebenbei ihre Bierdosen und Flaschen darin. Sehr praktisch.
Adresse: Verbindungsstraße zwischen Marienplatz und Isartor.
Anfahrt: S-Bahnstation: Isartor, oder U/S- Bahnstation: Marienplatz.
Neuhauserstraße
Links das Porcellino in Florenz. Rechts die Kopie in der Fußgängerzone
Flrickr Porcellino: José Rodriguez
Vor dieser Sau mitten in der Fußgängerzone lassen sich besonders gerne Touristen fotografieren. Genau das Gleiche tun die Touristen auch in einer ganz anderen Stadt, allerdings mit der gleichen Sau. Der Grund: Das Vorbild für das Münchner Schwein steht in Florenz, heißt dort Porcellino, italienisch für Ferkel, und ist in Florenz ein echter Touristenmagnet. Das Porcellino ist eigentlich ein ausgewachsener Eber, und das echte Original stammt auch nicht aus Florenz, sondern geht auf ein Vorbild aus der griechischen Antike zurück. Seit den 70er-Jahren ziert der Eber ganz passend den Eingang des Münchner Jagd- und Fischerei-Museums. Kopien des Ebers gibt es übrigens weltweit, sogar in Sydney steht eine.
Adresse: Verbindungsstraße zwischen Marienplatz und Stachus
Anfahrt: S-Bahnstation Stachuns, oder U/S-Bahnstation Marienplatz.
Der Bronzeguss
Fast alle hier genannten Skulpturen verbindet eines: Sie wurden in Bronze gegossen. Diese Technik war altbekannt, erlebte aber erst in der Renaissance eine neue Blütezeit. Zentrum war Florenz, das New York des 15. und 16. Jahrhunderts, eine der größten und reichsten Städte Europas, zehnmal größer als das damalige München. Diese reiche Metropole sog die Künstler regelrecht auf. Auch den jungen Giambologna, der eigentlich Jean de Boulogne hieß und aus Flandern stammte. In Florenz hatten vor ihm große Bildhauer wie Donatello oder Michelangelo ihre Meisterwerke hinterlassen. Giambologna spezialisierte sich auf den Bronzeguss. In seiner Werkstatt gab er sein Wissen an seine Lehrlinge weiter. Etwa an den aus Flandern stammenden Hubert Gerhard, oder den Florentiner Carlo di Cesare del Palagio. Beide zogen später über die Alpen nach München und schufen hier ihre Plastiken nach Florentiner Vorbild. Die Wittelsbacher Herrscher hatten nämlich längst Wind bekommen von dem kunstsinnigen Treiben in Italien. Sie reisten häufig dorthin, um ihre verschwägerten Familien, die Gonzaga in Mantua oder die Medici in Florenz, zu besuchen. Und so wünschte sich Herzog Wilhelm V., aus München ein zweites Florenz zu machen.
Im 19. Jahrhundert erlebte der Bronzeguss durch die neuen technischen Möglichkeiten eine erneute Blüte. Mit dem technischen Fortschritt waren viel gewaltigere Statuen möglich. Die erste kolossale Bronzestatue des 19. Jahrhunderts thront übrigens über der Theresienwiese als Bavaria. Noch vor der Freiheitsstatue entstand die Riesendame als echte technische Meisterleistung der damaligen Zeit.