Theatinerkirche, Michaelskirche oder Asamkirche - all diese Kirchen haben eines gemeinsam: Ihre Vorbilder findet man in Rom. Ob das illusionistische Deckenfresko, der goldglänzende Hochaltar mit gewundenen Säulen oder die Heiligenskulpturen in ekstatischer Geste. Das ganze Programm, das man heute in den barocken Kirchen in München und Bayern sehen kann, wurde im 17. Jahrhundert in Rom von einigen Künstlern und Architekten entwickelt. Der Hang der Päpste zur Prachtdarstellung zog damals die Künstler nach Rom. Künstler und Architekten wie Bernini, Borromini, Andrea Pozzo oder Giacomo da Vignola entwickelten in Rom Michelangelos manieristische Ansätze weiter und die Formensprache des Barock. Renaissance in Bewegung, mit einer Prise Illusion und Ekstase, so könnte man den Barock vereinfacht beschreiben. Doch erst die Anstrengungen gegen den Protestantismus, die sogenannte Gegenreformation, verhalf dem römischen Barock nördlich der Alpen endgültig zum Durchbruch, denn die katholische Kirche nutzte die Ideen des Barock für ihre Zwecke. Die neuen Barockkirchen sollten vor allem eines: die Gläubigen beeindrucken.
Michaelskirche
Der Bau der Michaelskirche ist eng verknüpft mit der Gegenreformation. Ginge es nach den Bewohnern Bayerns, dann wäre Bayern heute vollständig evangelisch. Die Ideen Martin Luthers setzten sich zu jener Zeit wie ein Lauffeuer im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation durch, besonders bei der sogenannten einfachen Bevölkerung. Doch die Wittelsbacher Herrscher wollten diesen Erfolg mit aller Macht verhindern. Und so holte sich Herzog Albrecht V. 1559 die Speerspitze der Gegenreformation nach München, den Jesuitenorden. Die Jesuiten bauten die Michaelskirche nach dem Vorbild ihrer Mutterkirche Il Gesu in Rom. Sie wurde von Giacomo da Vignola erbaut, einem Schüler Michelangelos, in einer Zeit zwischen der Spätrenaissance und dem Frühbarock. Vor allem der Grundriss galt für weitere Kirchenbauten als vorbildlich, mit seinem einschiffigen Innenraum. Der freie Raum, ohne störende Säulen, sollte das Gemeinschaftsgefühl der Gläubigen stärken. In München wird er von einem gewaltigen Tonnengewölbe überspannt, einem der gewaltigsten Gewölbe überhaupt, das nur vom Petersdom in Rom übertroffen wird. Die Münchner Michaelskirche ist keine Kopie von Il Gesu, sie folgt nur der Grundidee ihres römischen Vorbilds. Das sieht man besonders an der Fassade, sie hat mit ihrem Vorbild überhaupt nichts gemeinsam.
Adresse: Neuhauser Straße 52 / Anfahrt: Durch die Fußgängerzone vom Marienplatz oder vom Stachus aus.
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(Bilder: Flickr; nicolas_ray und Pavel Hadzinski)
Theatinerkirche
Die Theatinerkirche verdankt ihre Erbauung einem freudigen Anlass, nämlich der Geburt des bayerischen Thronfolgers Maximilian II. Emanuel im Jahr 1662. Die Eltern des Sprösslings waren der bayerische Herzog Ferdinand Maria und seine italienische Frau Henriette Adelheid von Savoyen aus Turin. Der Neugeborene erblickte die Welt also als halber Italiener. Zur Freude und zum Dank für den Nachwuchs errichtete man eine Kirche. Henriette holte den von ihr favorisierten Theatinerorden nach München, und der baute die Kirche nach dem Vorbild seiner Mutterkirche San’Andrea della Valle in Rom, die sich wiederum an der Hauptkirche der Jesuiten Il Gesu ebenfalls in Rom (siehe oben) orientierte. Der Architekt Agostino Barelli aus Bologna lieferte den ersten Entwurf für die Theatinerkirche. Das Besondere an der Münchner Kirche: Die beiden Türme mit den herrlichen Voluten. Die Doppeltürme findet man in Italien nicht. Auch der Innenraum unterscheidet sich vom Vorbild. So verwendete man in München Halbsäulen statt Doppelpilaster. Auch das Gold und die aufwendigen Fresken, die in Rom später dazu kamen, wurden nicht übernommen. Die Theatinerkirche blieb schlicht weiß. Die Theatinerkirche war zu Beginn außen hellgrau bemalt und ähnelte damit mehr ihrem römischen Vorbild aus grauem Stein. Mit dem ockergelben Farbton von heute bestrich man sie erst viel später.
(Bilder: Flickr; Flickr: deep_schismic und Campra)
Adresse: Theatinerstraße 22 / Anfahrt: U-Bahnstation Odeonsplatz
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Sankt Peter
Sankt Peter oder Alter Peter, wie er auch genannt wird, ist Münchens älteste Kirche. Wie so viele Kirchenbauten in Bayern durchlebte auch der Alte Peter alle Baustile. Er wurde als romanische Basilika errichtet, dann im späten Mittelalter im gotischen Stil erweitert und schließlich in seinen endgültigen barocken Zustand umgestaltet. Nur wenige Kirchen errichtete man im Barock neu, die meisten wurden im 18. Jahrhundert im Barockstil umgebaut. All diese Eingriffe aus dem 18. Jahrhundert im Alten Peter kann man auf den römischen Barock zurückführen: Die ekstatischen Heiligenfiguren, den prachtvollen Hochaltar und das Deckenfresko. Das Fresko wurde leider, wie fast die gesamte Kirche, im Krieg zerstört, heute sieht man nur eine Rekonstruktion. Das Bild malte ursprünglich der große Johann Baptist Zimmermann. Die Idee des illusionistischen Deckenfreskos wurde aber bereits im Rom des 17. Jahrhunderts entwickelt. Das wohl einflussreichste Fresko des Barock schuf Andrea Pozzo in der Kirche S. Ignatio.
Adresse: Rindermarkt 1 / Anfahrt: Zu Fuß vom Marienplatz aus
(Bilder: Flickr; Prof. Mortel und Spacebar)
Asamkirche
Wer die Asamkirche zum ersten Mal betritt, der kann nur staunen. Kein Quadratzentimeter blieb hier frei von barocker Kunst. Mitten im 18. Jahrhundert, in einer Zeit, in der sich längst das Rokoko durchgesetzt hatte, mit seinen Pastelltönen und seiner Leichtigkeit, bauten die Gebrüder Asam hier ihre Privatkirche im Stil des römischen Barocks. Die beiden Brüder Egid Quirin und Cosmas Damian Asam reisten Jahre zuvor selbst nach Rom, um sich in der Malerei und Bildhauerei ausbilden zu lassen und die Werke der bereits verstorbenen Barockvorbilder zu studieren. Ihr größtes Vorbild kann man auch in der Asamkirche klar erkennen: Lorenzo Bernini. Er gilt als einer der größten Bildhauer und Architekten der Kunstgeschichte und als einer der Erfinder des Barock. Die ganze Farbgestaltung der Asamkirche, mit dem Gold und dem Marmor, geht auf Bernini zurück. Auch die gedrehten Säulen und das ovale Fenster mit den goldenen Strahlen findet man bei Bernini, beim Baldachin und beim Hochaltar im Petersdom in Rom. Wer nach Rom reist, um sich die Originale anzuschauen, etwa die Kirche Sant Andrea al Quirinale, der wird wahrscheinlich etwas enttäuscht. Denn beim barocken Gesamtkunstwerk aus Architektur, Malerei und Bildhauerei haben die Brüder Asam ihr Vorbild in Rom noch übertroffen. So eine verrückte Kirche hätte sich selbst der große Bernini nicht zu bauen getraut.
Adresse: Sendlinger Straße 62, 80331 München / Anfahrt: Zu Fuß vom Sendlinger Tor aus oder vom Marienplatz aus.
Übrigens wurden alle hier genannten Kirchen im zweiten Weltkrieg schwer getroffen und leicht verändert wieder aufgebaut.
Daniel Lautenbacher