Die Medien rund um die Welt und sie selber haben ihr 50-jähriges Berufsjubliläum ausgiebig gefeiert. Bildbände, Sonderhefte, Fernsehsendungen, Reportagen selbst in so hochseriösen Programmen wie der „Tagesschau“. Wie wär’s denn, wenn die Herrschaften sich nach dem Feierstress nun mal wieder bequemten, das zu tun, was sie am besten können: auf Tournee gehen? Wie man hört, scheint eine gewisse Grundbereitschaft duchaus vorhanden zu sein – bei allen außer Charlie Watts. Wie gehabt, das war schon immer so.
Ein gigantischer Zirkus namens Rolling Stones
Aber gut, vorschreiben lassen sich die Jungs von der dienstältesten Rockband der Welt bekanntlich sowieso nichts. Die setzen sich dann in Bewegung, wenn niemand mehr damit rechnet. Einmal mehr wird dann die Welt vibrieren und ein gigantischer Zirkus namens Rolling Stones durch unsere Städte ziehen. Aus Münchner Sicht darf man dazu mit Fug und Recht ein paar Sonderwünsche anmelden beziehungsweise darauf hoffen, dass es nicht bei einem Tag bleibt. Denn München und die Stones – das war schon immer eine Beziehung der Extraklasse. Die verlangt nach mehr als nur Stippvisiten.
Mick Jagger und die schönen Mädchen aus dem P1
Vielleicht kann Paris gerade noch eben mithalten, aber sonst wüsste man keine andere europäische Metropole, in der die Rolling Stones, wenn sie unterwegs waren, sich lieber aufgehalten haben als in München. Worauf das zurückzuführen ist, darüber ist schon viel spekuliert worden. Die schönen Mädchen aus dem P1 werden gerne genommen zur Erklärung von speziell Mick Jaggers Vorliebe für das Nachtleben der bayerischen Hauptstadt. Auch die Uschi-Obermaier–Saga, in der sowohl Jagger wie Keith Richards Hauptrollen spielen, muss immer wieder herhalten, wenn die Stones quasi zu Ehren-Münchnern ausgerufen werden.
Rolling Stones: legendäres Konzert im Circus Krone
Blenden wir mal 47 Jahre zurück: 1965 gaben die Stones zum ersten Mal ein Konzert in München, im Circus Krone. Ein bildschönes Model namens Anita Pallenberg, Tochter eines Italieners und einer Deutschen, hatte sich backstage eingeschmuggelt und krallte sich den weizenblonden Brian Jones. Es funkte wohl auf Anhieb. Anita blieb bei ihm und bei der Band. Es dauerte nicht lange, bis sie selbst einen gewissen Prominentenstatus vorweisen konnte.
Brian Jones von seinem Job in München überfordert
So fiel sie dem Filmregisseur Volker Schlöndorff auf, der ihr die Hauptrolle in seinem Krimi „Mord und Totschlag“ anbot. Zur Erstellung der Filmmusik wurde Brian Jones verpflichtet und zum Team nach München beordert. Schlöndorff hat erst kürzlich und sehr diskret, wie es seine Art ist, durchblicken lassen, dass der Musiker von dieser Aufgabe offensichtlich überfordert war. Keith Richards musste aushelfen, kam auch nach München, wo er in einer Kellerwohnung an der Tengstraße erfolgreich Hand an den Soundtrack legte.
Sein Honorar für diesen Freundschaftsdienst hat er sich dann später selber genehmigt, indem er Anita seinem Kameraden Brian ausspannte. Das war allerdings nicht in München, sondern im Urlaub in Marokko.
Das berühmte Musicland-Studio in Bogenhausen
Rockmusiker in aller Welt schnalzen heute noch mit der Zunge, wenn die Rede auf Giorgio Moroders berühmtes Musicland-Studio in Bogenhausen kommt. Hier, unterhalb des Araballahauses, sind großartige Tonaufnahmen enstanden, zum Beispiel viele der legendären Titel von Moroders Schützling Donna Summer. Die Stones waren von den Möglichkeiten dieses Studios (das später geschlossen werden musste, weil die U-Bahn-Linie U 4 sich an ihm vorbei durchs Erdreich fraß) so begeistert, dass sie in den 70ern gleich zwei Alben hier produzierten: „It’s Only Rock’n’Roll“ und „Black And Blue“.
Zu diesem Zwecke waren sie jeweils monatelang in München, flogen zwischendurch mal wieder heim, kamen wieder, saßen nachts im Studio, spielten tagsüber ausgiebig Tennis mit ihrem Münchner PR-Spezl Rudi Martini, logierten meistens im Hilton am Rande des Englischen Gartens. Zu Ehren des Hotels, das damals eine Art Lieblingsabsteige der internationalen Rock’n’Roll-Crème war, nahmen sie sogar ein Stück auf: „Munich Hilton“ – allerdings bis heute unveröffentlicht.
Sogar von vereinzelten Ausflügen in die Berge hörte man damals, auch wenn man sich Bill Wyman in Lederhosen nicht so recht vorstellen mochte.
Prinz Rupert von Loewenstein bewahrte die Stones vor der drohenden Pleite
Einen Hauch bayerische Wesensart bekamen sie auch von ganz anderer Stelle vermittelt: von Prinz Rupert zu Loewenstein, bayerischer Adel, um die Ecke verwandt mit den Wittelsbachern. Der im internationalen Finanz-Business von London aus agierende Prinz bewahrte die Rolling Stones Anfang der 70er Jahre vor der drohenden Pleite. Damit war er so erfolgreich, dass er bis 2007 ihr Finanzberater blieb. Freund ist er bis heute. Er war es auch, der Anfang der 80er Jahre Mick Jagger auf einen Maskenball bei der Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis mitnahm.
Die Stones 2003 in München und die Stadt stand Kopf
Wir machen jetzt einen Sprung ins Jahr 2003. Nach vorherrschender Meinung aller Stones-Gelehrten war dies ein ganz spezielles Jahr in der Liebesbeziehung Rolling Stones/München. Eines, das es besonders verdient, hervorgehoben zu werden. Die Londoner Musiker waren Ende Mai, Anfang Juni längere Zeit in der Stadt. Sie probten in den Eisbachstudios am Rande des Schlossparks Nymphenburg, wohnten im Vierjahreszeiten, und man sah Charlie Watts an der Maximilianstraße sich einen Anzug kaufen. Gleich drei Konzerte waren zu absolvieren, natürlich stand die Stadt Kopf und die Presse sowieso. Zur Hochform lief die geschätzte Süddeutsche Zeitung auf.
Es ging damit los, dass ihr Kritiker A. das erste Konzert in der Olympiahalle besuchte. Gnädig fand er ein paar freundliche, vorwiegend aber ziemlich ätzende Worte über die in die Jahre gekommenen Musikanten und ihre Fans. Überschrieben war der Beitrag: „Unsere Leichen leben noch“. Ziemlich unfreundlich das alles, wir Stones-Fans in der Stadt waren „not amused“. Das folgende Konzert im Olympiastadion besuchte dann der SZ-Kritiker B. Der machte aus seiner Begeisterung keinen Hehl und befand, die Stones hätten das Publikum glücklich gemacht. Titelzeile: „Ein großes Fest“. Dies wiederum ließ Kritiker A. nicht ruhen, und er besuchte den dritten Auftritt, im Circus Krone. Jetzt schwärmte er, der eben noch gemeckert hatte, von der „vielleicht besten Band, die ich live je gehört habe“. Überschrift diesmal: „Alt werden mit Klasse“, Unterzeile: „eine faszinierend gute Band“.
Das war, man muss es zugeben, absolut kongenial, denn es verdeutlichte, dass nicht nur Musiker, sondern auch Zeitungen gute und schlechte Tage haben. Übrigens hat Mick Jagger selbst, wie mehrere Interviewäußerungen belegen, das Circus-Krone-Konzert in allerbester Erinnerung. So gut wie dort, urteilte er, seien sie vorher und nachher selten gewesen.
Rolling Stones: wenn sie doch noch einmal wiederkämen
Danach sind sie noch einmal gekommen, aber nur für einen Auftritt: 2006 im Olympiastadion, an einem heißen Julinachmittag. Draußen auf den Hängen lagen die, die keine Karte mehr bekommen oder kein Geld für ein Ticket hatten, alle mit einem glückseligen Lächeln auf den Zügen, während die Band drinnen vor 70.000 Zuhörern ihr Bestes gab.
Ach, wenn sie doch noch einmal wiederkämen!
Falls sie keine Lust auf Hamburg, Stuttgart, Berlin oder Frankfurt haben, dürfen sie ruhig längere Zeit hier bei uns bleiben. Wir würden ihnen einen warmen Empfang bereiten und dafür sorgen, dass sie sich zuhause fühlen.
It’s only Rock’n’ Roll, but we like it!
A.O.
Persönliche Bestenliste unseres Autors:
Studio-LP (CD): „Sticky Fingers“ (1971)
Live-LP (CD): „Get Yer Ya-Yas Out“ (1970)
CD, remastered: „Some Girls“ (1978; 2011 mit zwöf bisher unveröffentlichen Bonus-Tracks)
DVD: „The Biggest Bang“ (2007, vier DVDs u.a. mit dem Live-Konzert in Rio de Janeiro)
Buch/Dokumentation: „Rolling With The Stones“ (2002) von Bill Wyman
Buch/Autobiografie: „Life“ (2010) von Keith Richards
...und zwei Neuerscheinungen aus dem Jubiläumssommer 2012:
DVD mit CD: „Muddy Waters & The Rolling Stones live at the Checkerboard Lounge, Chicago“,1981
Buch/Bildband: „50“, von Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ron Wood (deutsch: Prestel)