Ich entfliehe der Mittagshitze und entschlüpfe dem Gewusel der Ludwigstraße, indem ich direkt nach dem Schumann’s rechts abbiege. Von der Galeriestraße aus betrete ich den Park durch ein schmiedeeisernes Tor. Sofort umweht mich ein frischer Hauch der unmittelbar Kühlung verschafft, denn die zahlreichen hohen Bäume spenden reichlich Schatten. Es ist, als ob man in eine längst vergessene Welt eintaucht. Der Verkehrslärm verebbt und stattdessen macht sich Vogelgezwitscher breit. Ansonsten herrscht im Garten eine märchenhafte Ruhe.
Der Finanzgarten ist eine Grünanlage von etwa zwei Hektar Größe zwischen dem Hofgarten und dem Englischen Garten. Die Gartenlandschaft mit einer markanten Erhebung entstand auf dem Gelände einer Bastion aus dem Dreißigjährigen Krieg und ist vorwiegend bewaldet. Schmale Gehwege schlängeln sich an dicht bewachsenen Hügeln mit Büschen und Sträuchern entlang.
Ein älterer Herr sitzt einsam auf einer Bank und hängt seinen Gedanken nach. Rechts neben der Bank, auf der schattigen Südseite ragt eine riesige Steinfigur mit dem Abbild von Konfuzius auf. Später erfahre ich, dass die Statue eine Schenkung der chinesischen Provinz Shandong, anläßlich des 20-jährigen Jubiläums der Partnerschaft zwischen Bayern und Shandong ist.
Die Anlage des seit 1955 öffentlichen Gartens ist dem Lebemann Abbé Pierre de Salabert zu verdanken. Auf der Suche nach einem standesgemäßen Bauplatz für sein Wohnhaus erwarb der einstige Erzieher Max IV. Josephs trickreich den ehemaligen Garten des Theatinerklosters und weitere angrenzende Grundstücke. Salabert ließ das Gelände unter Einbeziehung der dort noch vorhandenen Wälle der Stadtbefestigung in einen anmutigen Landschaftsgarten umgestalten. Deshalb sind hier auch noch die letzten Reste der Befestigungsanlage erhalten.
Dichtergarten nannte man den verwunschenen Stadtpark, mit seiner hügeligen Landschaft und seinem dichten Baumwuchs erst später, weil hier mehrere Statuen und Denkmäler, von Dichtern und Künstlern stehen, die eine enge Verbindung zu München hatten.
Unter anderem für Frédéric Chopin, der tief versunken in einer Komposition zu sein scheint und an der Westseite des Parks steht. Etwas weiter begegnet einem dann die stolze Bronzefigur von Fjodor Iwanowitsch Tjutschew, einer der größten Lyriker der russischen Literatur. Folgende Zeilen aus Tjutschew’s Gedicht „Silentium!“ beschreiben die Stimmung im Park ganz treffend:
„Schweige, verbirg dich und halte
deine Gefühle und Träume geheim,
lass sie in der Tiefe deiner Seele
lautlos auf- und untergehen
wie Sterne in der Nacht;
erfreue dich an ihnen – und schweige.“
Als Diplomat kam Tjutschew in München erstmals in Kontakt mit Heinrich Heine und übersetzte auch dessen Werke. So ist es auch ganz logisch, dass sein Denkmal neben dem von Heine steht. Denn Heine lebte für einige Monate in den Jahren 1827 und 1828 in München. Bei der Heinrich Heine Gedenkstätte handelt es sich um eine Grotte, in der sich eine Frauen-Plastik und eine Tafel mit den Anfangszeilen eines seiner Gedichte befindet:
„Die Rose,
die Lilie,
die Taube,
die Sonne,
die liebt ich einst alle.“
Die Abzweigung am Ende der Galeriestraße führt links zum Englischen Garten und rechts zum Hofgarten. Hier steht seit 1803 eine von Franz Jakob Schwanthaler geschaffene Jünglingsstatue, genannt „Harmlos“, dessen Widmungsinschrift an die Besucher gerichtet zu sein scheint, die hier zur Erholung ihre Mittagspause verbringen:
„Harmlos
wandelt hier,
dann kehret,
neu gestärkt,
zu jeder
Pflicht zurück.“
Der Dichtergarten ist ein Ort der Stille und steht allen Bürgern offen um sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Er lädt zum Flanieren und Nachdenken ein und lässt einen teilhaben an seiner ganz besonderen Atmosphäre aus längst vergangenen Zeiten.
Manche Anwohner der Umgebung nutzen ihn allerdings auch ganz profan zur Gassirunde mit ihren Vierbeinern.
Dichtergarten/Finanzgarten
Galeriestraße 1
80539 München