Man stelle sich vor, die russischen und arabischen Touristen schlendern durch die Maximilianstraße, finden die Geschäfte toll, aber die Architektur wirklich schrecklich. Sie mosern über den sonderbaren Stilmix. Ein eher unwahrscheinliches Szenario, denn die Maximilianstraße gilt als Münchens Prachtstraße und als Aushängeschild für Münchens Schönheit. Doch genau diese Kritiken musste sich der Architekt Georg Friedrich Bürklein anhören, als er Mitte des 19. Jahrhunderts die Maximilianstraße entwarf.
Regierung von Oberbayern mit der Terrakottafassade, © Flickr: Matthew Black
Georg Friedrich Bürklein gehört zu den vier großen Architekten des 19. Jahrhunderts in München. Die anderen drei: Karl von Fischer, Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner. Mit diesen vier Architektenpersönlichkeiten erlebte München nicht nur seine wichtigste Bauphase und Blütezeit, diese vier repräsentieren auch die Entwicklung der Architekturstile im vorletzten Jahrhundert. In München lässt sich diese Entwicklung so schön ablesen wie bei keiner anderen Stadt. Begann das 19. Jahrhundert noch mit dem klaren und kühlen Klassizismus eines Karl von Fischer, probierten schon kurz danach Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner immer neue Architekturstile aus, ob Renaissance, Romanik oder Gotik. Man kopierte im Historismus nicht nur Architekturstile, sondern gleich ganze Gebäude. Prominentestes Beispiel in der Münchner Innenstadt: die Feldherrnhalle oder die Fassade der Residenz am Max-Joseph-Platz, beide nach Florentiner Vorbildern. Bereits nach wenigen Jahrzehnten mündete alles in eine große Stilunsicherheit, einen Stilmix, Eklektizismus genannt. Hier beginnt die Geschichte von Georg Friedrich Bürklein und seiner Maximilianstraße.
Gerade ein paar Jahre alt: Neubau/ Rekonstruktion im Stil von Bürklein, © Flickr: Mikel Santamaria
Ins Leben gerufen hatte den Architekturwettbewerb für die neue Prachtstraße Mitte des 19. Jahrhunderts König Maximilian II. von Bayern, der Sohn König Ludwigs I. Sein Vater Ludwig I. hatte sich mit seiner Ludwigstraße bereits selbst ein Denkmal gesetzt. Doch König Maximilian II. wollte seinen eigenen Akzent setzen und seine eigene Straße. Mit dem ausgerufenen Architekturwettbewerb für das neue Bauprojekt sollte, ganz im Geist der Zeit, ein neuer Baustil gefunden werden, "der sich aus dem Besten vergangener Stile zusammensetzen sollte". Georg Friedrich Bürklein gewann den Wettbewerb mit einem Stilmix aus englischer Gotik und italienischer Renaissance. Sein Konzept: Unten ein hohes Arkadengeschoss für die Geschäfte mit gotischen Spitzbögen, darüber Geschosse mit Fenstern der italienischen Renaissance, alles sollte harmonisch verschmelzen. Der neue Corso unterschied sich in der Dramaturgie von der kerzengeraden Ludwigstraße, denn die anfangs schmale und urbane Maximilianstraße weitet sich nach ein paar hundert Metern zu einem breiten Forum mit Grünanlagen. Als Abschluss und Bellevue thront am Ende über der Straße das Maximilianeum. Der neue Baustil wurde nach König Maximilian II. Maximiliansstil getauft, genauso wie natürlich auch die ganze Straße nach ihm benannt ist. Doch der neue bzw. neu zusammengesetzte Baustil brachte Bürklein kein Glück, er wurde dafür in der Fachwelt angefeindet. Die Frage, welcher Baustil der richtige sei, wurde damals unerbittlich geführt. Wahrscheinlich war bei der ganzen Kritik auch Neid im Spiel.
Denkmal für den Idee- und Namensgeber König Maximilian II. von Bayern, © Flrickr: Pilot micha
Georg Friedrich Christian Bürklein ergriff den Beruf des Architekten aus Leidenschaft. Er arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen mit Fleiß nach oben. Der Mittelfranke begann als Musterschüler des Architekten Friedrich von Gärtner und erklomm danach Sprosse für Sprosse auf der Karriereleiter, von einem Posten zum nächsten, vom Regierungsinspektor zum Professor an der polytechnischen Schule bis schließlich zum königlichen Baurat. Sein erstes großes Bauprojekt in München: der erste Münchner Bahnhof. Dieser Bahnhofsbau zeigt gut die architektonische Haltung jener Zeit. Die Halle für die königliche Eisenbahn, die neue technische Errungenschaft, baute man aus Stahl und Glas. Den repräsentativen Kopfbau entwarf Bürklein im romanischen Stil, wie ein Gebäude aus dem Mittelalter. Der Bahnhof verschwand durch den zweiten Weltkrieg, der heutige Bahnhof ist ein Kind der Nachkriegszeit. Auch die Maximilianstraße wurde im Krieg so schwer beschädigt, dass später nur die Fassaden rekonstruiert wurden, sonst ist fast nichts mehr original.
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Wer sich von der Qualität Bürkleins als Architekt überzeugen lassen will, der sollte sich in der Maximilianstraße das Gebäude der Oberbayerischen Regierung anschauen. Der 170m lange Bau ist ein echtes Meisterwerk und erstrahlt nach langjähriger Renovierung heute in vollem Glanz. Nur die Fassade blieb erhalten, aber die hat es in sich. Den Bau ließ Bürklein mit gebrannten Terrakottafliesen verkleiden. Diese Fliesen waren eigentlich für die gesamte Maximilianstraße geplant, was allerdings zu teuer war. Der Fassadenaufbau entspricht vom Aufbau dem Innern einer Kathedrale: unten der Arkadengang, darüber das Triforium und oben das Fenster des Hochschiffs. Die Fähigkeiten Bürkleins als Architekt werden besonders deutlich, wenn man sich das Werk eines Konkurrenten gleich gegenüber dem Regierungsbau anschaut. Dort ließ König Maximilian II., nach der Kritik an Bürklein, einen anderen Architekten zum Zug kommen. Der entwarf das Völkerkundemuseum, damals noch bayerisches Nationalmuseum, ohne wirkliches Gefühl für Proportion und Eleganz, alles wirkt etwas kitschig.
Thront über der Maximilianstraße: Das Maximilianeum, © Travaller 40
Bürklein endete in der Nervenheilanstalt. Was wirklich der Grund für die Einweisung war, bleibt unklar, wohl eine Gehirnerkrankung. Auch erlitt Bürklein private Schicksalsschläge. Er verlor einen Sohn im deutsch- französischen Krieg von 1870. Es schreibt sich zwar schön, allerdings dürften ihn die Anfeindungen gegen seinen Baustil wohl nicht in die Heilanstalt gebracht haben - genervt und gekränkt haben sie ihn wahrscheinlich schon.
Die Maximilianstraße prägt das Gesicht und die Identität Münchens genauso wie die Ludwigsstraße, und doch findet ihr Architekt nicht die gleiche Beachtung wie etwa Leo von Klenze. Vielleicht denken Sie an Georg Friedrich Bürklein, wenn Sie das nächste Mal durch die Maximilianstraße schlendern, eine der teuersten Straßen, aber auch eine der schönsten.
Daniel Lautenbacher